Die Diskussion darüber, wie echte Frauen auszusehen haben, ist in einem feministischen Diskurs völlig fehl am Platz. Warum alle Frauen echte Frauen sind und warum „die echte Frau“ kein Marketing-Tool sein darf.
Text: Sinah Edhofer
„Echte Frauen haben Kurven“: Ein Satz, den man in Diskussionen über Schönheitsideal oft liest. Eigentlich eh gut, schließlich haben nicht alle Frauen die makellose Pohaut eines brasilianischen Supermodels und das darf man auch ruhig zeigen. Die moderne Frau hat es satt, sich ständig mit dem Model-Typ vergleichen zu müssen. Die aufgeklärte Konsumentin von heute will was Echtes sehen. Etwas, womit sie sich identifizieren kann. Werbefuzzis beschließen: Die „echte“ Frau darf jetzt auch mal auf die Bühne. Prompt wird sie zur neuen Werbeikone hochstilisiert und H&M schreibt für sie ganz groß „GIRL POWER“ auf seine Shirts. Veränderungen, die man grundsätzlich gern begrüßen würde – wäre da nicht der bittere Beigeschmack der Kommerzialisierung.
Realness sells – zumindest im Moment
„Strong“ ist das neue „skinny“, ,,kurvig“ das neue ,,schlank“ und „natürlich“ das neue „gestylt“: All diese Attribute wurden und werden zu kommerziellen Trends verarbeitet und ausgeschlachtet, bis der Rezipient die Schnauze voll hat, der Markt gesättigt ist und ein neuer Typ herhalten muss. Konzerne sind keine karitativen Einrichtungen, deren oberstes Ziel die Abschaffung von Stereotypen und die Stärkung des Selbstbewusstseins seiner Konsumentinnen ist. Schon klar. Dann sollen sie aber auch bitte nicht so tun: Der schwedische Textilhersteller H&M sorgte vergangenen Herbst mit der „Ladylike“-Kampagne für Aufsehen, die Frauen mit unterschiedlicher Hautfarbe, Körperform und mit Achselhaaren zeigte. Dafür gab es viel Lob: Endlich echte Frauen in der Werbung, wie toll!
Und was blieb von dieser Gamechanger-Attitüde? Die Frühjahrskampagne 2017 zeigte die topgestylten, langhaarigen, schlanken, weißen Models Taylor Hili und Frederikke Sofie makellos in durchsichtigen Stoffen über ein Weizenfeld schwebend. Alles wie vorher. Das Feminismus-Thema war wohl nur letzte Saison cool.
Zu dünn, zu schön, zu unecht
Die „echte Frau“ definieren zu wollen, grenzt Frauen, die diesem Bild nicht entsprechen, aus: Nicht alle Frauen haben Kurven, Dehnungsstreifen oder Cellulite. Es gibt Frauen, die sich Fingernägel aufkleben, Extensions tragen, die mit Silikon jede nur mögliche Körperregion modellieren, die ihren Körper im Fitnessstudio stählen und auch dazu stehen. Es gibt Frauen, die von Natur aus sehr dünn sind, kaum Oberweite haben und ständig gesagt bekommen, sie sollen doch mehr Knödel essen. Sind diese Frauen keine „echten“ Frauen? Natürlich sind sie das. Und das heißt auch nicht, dass sie keine Feministinnen sein können.
Vermeintliche Realness im Sinne von Äußerlichkeiten zu propagieren, ist gefährlich. Denn indem darüber diskutiert wird, wie echte Frauen auszusehen haben, werden Frauen wieder nur auf ihr Aussehen reduziert. Frauen die Echtheit zu- beziehungsweise abzuerkennen ist der falsche Weg, um Toleranz und Selbstbewusstsein in den Köpfen zu verankern. Vor allem aber ist es mies, Frauen ihre Weiblichkeit abzusprechen, um sie ihnen anschließend wieder zu verkaufen.
Über die Autorin Sinah Edhofer ist Journalistin und schreibt unter theblackshirtblog.com über no fake shit und just realness. Dieser Beitrag ist im QWANT.-Magazin (Ausgabe 2/Sommer) erschienen.
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Unsere fleißigen Schreiberlinge sind ja alle freiberulich tätig und derzeit in anderen Projekten schwer involviert. Deshalb macht der Blog hier eine kleine Pause. Aber keine Sorge: Alle Tipps bleiben natürlich online und sobald es weitergeht, geben wir euch Bescheid. In der Zwischenzeit könnt ihr gerne bei Fräulein Flora Salzburg vorbeischauen. Dort steppt der Bär umso mehr.
Die Diskussion darüber, wie echte Frauen auszusehen haben, ist in einem feministischen Diskurs völlig fehl am Platz. Warum alle Frauen echte Frauen sind und warum „die echte Frau“ kein Marketing-Tool sein darf.
Text: Sinah Edhofer
„Echte Frauen haben Kurven“: Ein Satz, den man in Diskussionen über Schönheitsideal oft liest. Eigentlich eh gut, schließlich haben nicht alle Frauen die makellose Pohaut eines brasilianischen Supermodels und das darf man auch ruhig zeigen. Die moderne Frau hat es satt, sich ständig mit dem Model-Typ vergleichen zu müssen. Die aufgeklärte Konsumentin von heute will was Echtes sehen. Etwas, womit sie sich identifizieren kann. Werbefuzzis beschließen: Die „echte“ Frau darf jetzt auch mal auf die Bühne. Prompt wird sie zur neuen Werbeikone hochstilisiert und H&M schreibt für sie ganz groß „GIRL POWER“ auf seine Shirts. Veränderungen, die man grundsätzlich gern begrüßen würde – wäre da nicht der bittere Beigeschmack der Kommerzialisierung.
Realness sells – zumindest im Moment
„Strong“ ist das neue „skinny“, ,,kurvig“ das neue ,,schlank“ und „natürlich“ das neue „gestylt“: All diese Attribute wurden und werden zu kommerziellen Trends verarbeitet und ausgeschlachtet, bis der Rezipient die Schnauze voll hat, der Markt gesättigt ist und ein neuer Typ herhalten muss. Konzerne sind keine karitativen Einrichtungen, deren oberstes Ziel die Abschaffung von Stereotypen und die Stärkung des Selbstbewusstseins seiner Konsumentinnen ist. Schon klar. Dann sollen sie aber auch bitte nicht so tun: Der schwedische Textilhersteller H&M sorgte vergangenen Herbst mit der „Ladylike“-Kampagne für Aufsehen, die Frauen mit unterschiedlicher Hautfarbe, Körperform und mit Achselhaaren zeigte. Dafür gab es viel Lob: Endlich echte Frauen in der Werbung, wie toll!
Zu dünn, zu schön, zu unecht
Die „echte Frau“ definieren zu wollen, grenzt Frauen, die diesem Bild nicht entsprechen, aus: Nicht alle Frauen haben Kurven, Dehnungsstreifen oder Cellulite. Es gibt Frauen, die sich Fingernägel aufkleben, Extensions tragen, die mit Silikon jede nur mögliche Körperregion modellieren, die ihren Körper im Fitnessstudio stählen und auch dazu stehen. Es gibt Frauen, die von Natur aus sehr dünn sind, kaum Oberweite haben und ständig gesagt bekommen, sie sollen doch mehr Knödel essen. Sind diese Frauen keine „echten“ Frauen? Natürlich sind sie das. Und das heißt auch nicht, dass sie keine Feministinnen sein können.
Vermeintliche Realness im Sinne von Äußerlichkeiten zu propagieren, ist gefährlich. Denn indem darüber diskutiert wird, wie echte Frauen auszusehen haben, werden Frauen wieder nur auf ihr Aussehen reduziert. Frauen die Echtheit zu- beziehungsweise abzuerkennen ist der falsche Weg, um Toleranz und Selbstbewusstsein in den Köpfen zu verankern. Vor allem aber ist es mies, Frauen ihre Weiblichkeit abzusprechen, um sie ihnen anschließend wieder zu verkaufen.
Über die Autorin
Sinah Edhofer ist Journalistin und schreibt unter theblackshirtblog.com über no fake shit und just realness. Dieser Beitrag ist im QWANT.-Magazin (Ausgabe 2/Sommer) erschienen.