Aus dem Leben

Warum Beziehungen enden

Eine Bestandsaufnahme

In ihrem Berufsalltag haben sie regelmäßig mit Beziehungen zu tun, die zu Bruch gegangen oder am besten Weg dorthin sind. Eine Psychotherapeutin, ein Scheidungsanwalt und eine Juristin im Sozialbereich erzählen, welche Gründe aus ihrer Sicht zum Beziehungsende führen.

„Was ist denn daran so kompliziert? Lasst uns doch sagen, wie es ist. Erst liebt man, dann liebt man nicht mehr“, hat die französische Schriftstellerin Françoise Sagan einst gesagt.

Und mit der Liebe kennt man sich in Frankreich bekanntlich aus. Nicht weiter verwunderlich, dass sich eine Vielzahl an französischen Romanen mit diesem Thema auseinandersetzen, sich auf die Suche nach der Liebe machen, sich voll Sehnsucht nach ihr verzehren oder sie nach drei Jahren für tot erklären. Letzteres macht Bestseller-Autor Frédéric Beigbeder in seinem Buch „Die Liebe währt drei Jahre“: Im ersten Jahr ist die Liebe wunderbar, nichts als Sonnenstunden – auch wenn es schneit. Im zweiten Jahr verwandelt sich die wilde Liebe in eine zärtliche Gemeinschaft. Im dritten Jahr ist sie vorbei. Was aber sind Gründe für das Ende?

Die Liebe ist ein seltsames Spiel

Allein in Salzburg heiraten im Durchschnitt zwei Paare pro Tag. So weit, so romantisch. Bloß: eines davon lässt sich wieder scheiden. Auch Andrea* hat sich vor sechs Monaten von ihrem Mann getrennt. Einige Jahre lebten die beiden in einer glücklichen Beziehung. „Die Liebe meines Lebens“-Sager inklusive. Hochzeit, Hochzeitsreise, Haus gekauft. Ein Jahr später das Scheidungsverfahren. Warum? „Weil ich Panik bekommen habe, dass das jetzt mein Leben bis zum Tod sein sollte.“ Oder Benjamin*, der nach zehn Jahren Beziehung die Reißleine gezogen hat. Er weiß nicht genau, was es war, die Routine oder die Erwartungen in den großen Augen seiner Freundin, gemeinsam eine „echte“ Zukunft aufzubauen. Was bleibt? Tränen, viele unausgesprochene Verwünschungen, ein finanzielles Chaos und tiefe Wunden, die im schlimmsten Fall noch Jahre zur Heilung brauchen.

Warum enden Beziehungen, Frau Ramsauer?

„Das ist eine schwierige Frage. Und dann auch wieder nicht so schwierig“, sagt Ursula Ramsauer, nach einer kurzen Denkpause. In ihrem beruflichen Alltag arbeitet die Psychotherapeutin und Mediatorin aus Salzburg viel mit Paaren, die Probleme in ihrer Beziehung verorten, aber diese noch nicht aufgegeben haben und Hilfe suchen. Zuerst muss man sich die Ausgangslage der Liebe anschauen, meint Ramsauer. Es ist eine Art Bestandsaufnahme der handelnden Personen und ihrer Beziehung zueinander: Woher kommen wir, wer ist unsere Familie? Wie neurotisch sind wir? Was ist unser Netzwerk? Sind wir in soziale Gemeinschaften eingebunden? Sind Großeltern da, wenn wir zum Beispiel Kinder kriegen und Unterstützung brauchen?

Wenn Paare einen neuen Lebensabschnitt betreten, müssen sie sich als Individuen und als Paar wieder finden.

Denn: In allen Beziehungen gibt es Risikofaktoren, die zu ihrem Ende führen können. Darunter fallen zum Beispiel große Lebensveränderungen: das erste gemeinsame Kind, die Pension, der Verlust eines Jobs oder eine Fernbeziehung. Kommt zum Beispiel ein Kind auf die Welt, verändert sich die Beziehungsdynamik von Grund auf. Die Aufmerksamkeit der Mutter ist ausschließlich auf das Neugeborene gerichtet, bei emotional bedürftigen Männern kann diese Neigung zum Kind in eine ausgewachsene Krise führen.

Dasselbe gilt für die Pension. Wenn Paare einen neuen Lebensabschnitt betreten, müssen sie sich als Individuen und als Paar wieder finden. Sinnvoll ist es in jeder Phase, in der Partner*innen nicht weiterkommen, sich professionell in Form von Eheberatung oder Psychotherapie begleiten zu lassen. „Der Ausgangspunkt ist immer, dass sich beide Partner*innen auf eigene Beine stellen müssen. Erst dann kann geschaut werden, ob und wo ich den anderen wiederfinde und wie man sich als Paar neu definiert“, so Ramsauer.

Schlussendlich ist die gesellschaftliche Ebene wichtig: „Momentan leben wir in einer Konsumgesellschaft, in der viel zur Ware gemacht wird, auch wir selbst.”

Wir arbeiten täglich an unserer Selbstoptimierung, daran, mehr Geld zu verdienen, besser auszusehen. Dabei hören wir nicht bei uns selbst auf, wenn es um den Anspruch auf Perfektion geht, sondern sehen auch unsere Freizeit und unsere Beziehungen durch diese Augen.“ Was das für Beziehungen bedeutet? „Wir wollen diese oft nicht reparieren, sondern wegwerfen, uns neue kaufen.“ Dabei reiche ein Swipe in der Dating-App, um eine*n neue*n Partner*in zu finden. Die Konsumgesellschaft stellt ein Risiko für funktionierende Beziehungen dar.

Als Paar könne man sich aber vor diesem und anderen Risiken schützen, zum Beispiel mit (Selbst-)Disziplin. Dahinter liegt die Erkenntnis, dass eine Beziehung kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf ist, in dem auch schwierige Abschnitte auftauchen können. Essentiell ist dabei die Fähigkeit, gemeinsam über Probleme reflektieren zu können und auf Schuldzuweisungen zu verzichten.

Trotzdem geht es nicht immer darum, die Liebe wieder zu finden, weiß Ramsauer: „Als Mediatorin habe ich auch Fälle, in denen ein Paar gar nicht erst versucht, sich neu zu verlieben.“ Dann geht es darum, eine anständige und faire Trennung hinzukriegen oder darum, eine neue Basis zu finden, bei der es nicht um die heiße Liebe, wohl aber um ein gutes Zusammenleben geht. Dann versucht Ramsauer, gemeinsam mit dem Paar eine Lösung für ein gutes Auskommen zu finden, ein Zusammenleben auf Augenhöhe, das auch ohne die große Liebe funktionieren kann.

Wenn die Beziehung begraben wird

Aus einer anderen Perspektive nähert sich Roman Moser dem Thema. Er ist Anwalt, unter anderem auf Scheidungen spezialisiert. Die Menschen, die in seine Kanzlei kommen, wollen keine Heilung, sondern Trennung. Aber was sind die Gründe dafür?

In seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung haben sich drei Themen herauskristallisiert, die zum Ende einer Beziehung führen. Moser zählt sie ohne verklärten Blick auf: Sex, Geld und Macht. „Früher hatte er noch Lust im Bett, jetzt geht es ihm nur darum, das Ganze möglichst schnell über die Bühne zu bringen“ sind Sätze, die Moser regelmäßig von seinen großteils weiblichen Mandantinnen zu hören bekommt.

Wenn es in der Kiste gut gehe, passe es auch am nächsten Tag noch.

Dabei steht für Moser eines fest: Wenn es in der Kiste gut gehe, passe es auch am nächsten Tag noch. Bei Flaute im Bett höre es schnell auf, nett zu sein. Und wenn es aufhört, nett zu sein, kommt Roman Moser ins Spiel. Geld, Kinder und Haus werden zum Druckmittel. Ratschläge für gelungene Beziehungen hat Moser keine. Seine Aufgabe sei es nicht, Beziehungen zu reparieren, sondern sie zu beenden, stellt der Anwalt fest. Selten, aber doch, rät er Mandant*innen, die unschlüssig wirken, eine Therapie zu absolvieren. Allerdings sei es in den vielen Berufsjahren erst zweimal vorgekommen, dass sich Paare im Scheidungsprozess umentschieden und es noch einmal miteinander versucht hätten. Mit dem Ergebnis, dass beide Paare sich zu einem späteren Zeitpunkt scheiden lassen haben.

Wie Kontrolle zur Isolation führt

Einen ganz anderen Blick auf gescheiterte Beziehungen hat Birgit Thaler-Haag. Als Geschäftsführerin des Salzburger Frauenhauses sieht sie viele Beziehungen enden. Ihre Aufgabe: Schutz für Frauen und Kinder schaffen, der Zuhause nicht mehr geboten werden kann. Dabei beginnt Machtmissbrauch oft scheinbar harmlos: „Man darf sich das nicht so vorstellen, dass der Partner vom ersten Tag an gewalttätig ist“, erklärt Thaler-Haag. Diese Beziehungen seien zwar immer schon von Macht und Kontrolle gezeichnet, werden aber zu Beginn von den Frauen anders gedeutet. 20 Anrufe pro Tag mit Fragen wie „Wo bist du und mit wem?“ werden als Sehnsucht interpretiert. Das Angebot des Mannes, doch die eigene Erwerbsarbeit aufzugeben, als Fürsorge.

Wenn sich das Kontrollverhalten langsam steigert, werden die Beziehungen zu engen Freund*innen und der eigenen Familie abgeschnitten. Äußern zum Beispiel Eltern Bedenken, verwendet der Partner diese Aussagen gegen sie: „Merkst du nicht, dass sie unsere Liebe nicht akzeptieren, sie wollen uns auseinander bringen“ sind Sätze, die fallen. Und schlussendlich dazu führen, dass Frauen den Kontakt abbrechen und sich in eine Isolation begeben. Die Frau achtet zu diesem Zeitpunkt nur mehr darauf, keinen Streit zu provozieren, den Mann nicht aufzuregen, ihr gesamtes Leben dreht sich um ihn.

„Eine weit verbreitete Lüge ist, dass Frauen bei ihren Männern bleiben, weil sie diese Unterdrückung brauchen. Das stimmt einfach nicht.“

Wer in dem Teufelsrad gefangen ist, braucht einen Impuls von außen, um sich zu befreien. Manche Frauen informieren sich im Internet über Alternativen. In der Situation wohl fühlt sich niemand. „Eine weit verbreitete Lüge ist, dass Frauen bei ihren Männern bleiben, weil sie diese Unterdrückung brauchen. Das stimmt einfach nicht“, sagt Birgit Thaler-Haag. Frauen, die bleiben, wollen keine Gewalt erleben, aber sie wollen sich auch nicht trennen. Wenn sie den Schritt ins Frauenhaus geschafft haben, mit welcher Hilfe auch immer, können sie, gemeinsam mit ihren Kindern für sechs Monate bleiben. In diesem Zeitraum wird Schutz geboten, versucht, gemeinsam eine Trennung durchzusetzen. Das ist nicht immer leicht. „Einmal ist es schon vorgekommen, dass eine Frau in ein anderes Bundesland ziehen musste, in Salzburg war es zu gefährlich.“

Lässt man die unterschiedlichen Blickwinkel nachwirken, gibt es viele Antworten auf die Frage, wieso Beziehungen enden. Und dann wieder doch nicht. Egal ob es die Beziehungs-Risiken sind, denen nicht genug Schutzmechanismen gegenüberstehen. Oder ob Sex, Geld und Macht dem letzten bisschen Liebe den Garaus machen, wenn der Kontrollwahn Überhand nimmt: Wenn sich zwei trennen, gibt es kein Richtig und kein Falsch. Nur einer, der hat Unrecht. Und das ist Frédéric Beigbeder, der immer noch daran glaubt, dass die Liebe automatisch nach drei Jahren vergeht.


Dieser Text ist von Eva Krallinger-Gruber und zuerst in unserem Salzburger QWANT. Magazin Jänner/2019 erschienen.

Fräulein Flora Linz gönnt sich eine Auszeit

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